Nachhaltig und natürlich: Hamburgs Hoflieferanten
Gastronomie Essen & Trinken
In einer Großstadt wie Hamburg vergisst man schnell, dass dort auch so etwas wie Landwirtschaft existiert. Es soll sogar Kinder geben, die keine Ahnung davon haben, wo Milch, Wurst und Brot herkommen. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Bauernhöfe verschwinden aus unserem Sichtfeld.
Wir haben das Gefühl, dass Nahrungsmittel in Supermarktregalen "wachsen". Das stimmt natürlich nicht, Hamburg kann auf eine lange Landwirtschaftsgeschichte zurückblicken – und die ist noch lange nicht zu Ende erzählt. Werfen wir kurz einen Blick in die Vergangenheit: Erst im Jahr 1937 wurden mit dem sogenannten Groß-Hamburg-Gesetz die Städte Altona, Wandsbek, Wilhelmsburg und Bergedorf eingemeindet. Dadurch entstand erst das Hamburg, welches wir heute kennen.
In den Jahrhunderten davor war Hamburg viel kleiner – und umzingelt von Dörfern und Städten. Auch wenn Hamburg viele Waren und Güter mit Schiffen in die Stadt importierte, versorgten doch vor allem die Bauern des Umlandes die Großstädter mit den nötigen Nahrungsmitteln.
Kaum zu glauben, dass ein heutiges Trendviertel wie Ottensen einst ein Bauern- und Handwerkerdorf war, nur wenig erinnert hier noch daran. Ein paar Ecken weiter in Othmarschen steht der Röperhof. Gebaut wurde dieser Mitte des 18. Jahrhunderts von Wilhelm Röper, bis in die 1950er-Jahre haben seine Nachfahren den Hof landwirtschaftlich genutzt. Mit der Röperhof-Stiftung hat die Familie dafür gesorgt, dass im denkmalgeschützten Gebäude noch das pralle Leben tobt, inzwischen beherbergt es ein Restaurant. Auch wenn hier längst keine Landwirtschaft mehr betrieben wird, bekommt man einen Eindruck davon, wie es an vielen Orten in Hamburg mal aussah.
Landwirtschaft im Wandel
Inzwischen hat sich die Landwirtschaft stark verändert, sie hat heute nur noch wenig mit dem zu tun, wie einst auf den Höfen gewirtschaftet wurde. Unser Bild von der heilen Bauernhofwelt stammt aus Filmen oder Serien wie "Neues aus Büttenwarder" und hat oft nur wenig mit der Realität zu tun.
Die meisten Lebensmittel aus dem Supermarkt stammen nicht mehr von idyllischen Höfen aus der Region, sondern von gigantischen Plantagen aus anderen Ländern. Kühe, Schafe und Hühner laufen nicht einträchtig auf dem Hof herum, während sich hinterm Haus ein paar Schweine suhlen. Heute werden Tiere vielerorts in großen Stallungen gehalten, häufig dicht an dicht unter erbärmlichen Zuständen, damit es sich überhaupt für die Bauern lohnt. Manche erblicken in ihrem kurzen Leben kein einziges Mal das Sonnenlicht. Die Verbraucher haben sich daran gewöhnt, dass landwirtschaftliche Erzeugnisse günstig sind – da bleibt kein finanzieller Rahmen mehr für ein Idyll.
Doch man darf ruhig einmal träumen, zum Beispiel von einer Rückbesinnung. Das Thema Nachhaltigkeit durchdringt die ganze Bevölkerung und ist längst mehr als vergänglicher Trend. Der Wunsch nach guter Qualität wächst, auch in Hamburg sind die Einwohner immer mehr bereit, dafür auch ein bisschen tiefer ins Portemonnaie zu greifen. Die Landwirte haben so ein größeres Interesse daran, behutsamer mit der Natur umzugehen. Lebensmittelskandale, Tierquälerei in Schlachthöfen und Viren-Pandemien befeuern das Umdenken zusätzlich. In Kitas und Schulen lernen Kinder mehr darüber, warum gutes Essen so wichtig ist.
Bei einem Besuch des Freilichtmuseums Kiekeberg kann man sich vor Ort anschauen, wie Menschen früher im Einklang mit der Natur und mit Tieren unter einem Dach gelebt haben. Hier lernen auch Erwachsene, was es heißt, Lebensmittel anzubauen, zu ernten und zu verarbeiten. Oder man macht südlich der Elbe eine Fahrradtour durch das Alte Land, vorbei an den großen Höfen der Obstbauern. Vielleicht überlegt man danach zweimal, ob es unbedingt ein Apfel aus Neuseeland sein muss, wenn im eigenen Vorgarten wundervolle Sorten wie Boskop, Cox oder Braeburn wachsen.
Qualitätsprädikat Nachhaltigkeit
Nachhaltigkeit ist keine Pose, sondern ein Qualitätsmerkmal und Verkaufsargument. Das gilt besonders bei Lebensmitteln: Gutes Essen ist nicht nur gesund für Körper, Geist und Seele, sondern auch für die Natur. Die Hamburger kaufen mehr natürliche und lokale Produkte. Das spiegelt sich auch in den Speisekarten vieler Restaurants in Hamburg wider. Immer häufiger wird dort, aber auch im Handel explizit darauf hingewiesen, dass es sich um regionale Zutaten und Produkte handelt.
Selbstverständlich kann nicht jeder Hamburger einen eigenen Hof besitzen, um dort selbst Obst, Getreide und Gemüse anzubauen oder Schafe zu halten. Aber Gemüse kann man zum Beispiel sogar auf dem Balkon anbauen. Oder man bewirbt sich um einen Kleingarten oder teilt sich einen Garten mit anderen Hamburgern.
Wer einen Garten oder eine Dachterrasse hat, kann sich auch als Imker probieren. Was man bei der Bienenzucht beachten muss, vermitteln entsprechende Imker-Kurse. Die Tomatenretter haben es sich wiederum zur Aufgabe gemacht, seltene Tomatensorten zu erhalten – und suchen immer wieder Mitstreiter.
Aber ganz egal, ob man sich im Garten oder auf dem Balkon als Minilandwirt versucht: Sobald man einmal damit begonnen hat, wächst die Hochachtung für eine nachhaltige Landwirtschaft. Fürsorgliche Pflanzeneltern sehen den Hamburger Regen dann auch mit anderen Augen.
Man muss also gar nicht von einer Renaissance traditioneller Landwirtschaft in Hamburg träumen, denn sie war nie ganz weg – und sie gewinnt immer mehr Fans. Falls der nächste Hof zu weit weg ist, um im angeschlossenen Laden Lebensmittel zu kaufen, dann kommt der Hof eben zu einem nach Hause.
Wir haben Bauernhöfe in Hamburg und Umgebung besucht, die ihr Sortiment nicht nur vor Ort verkaufen, sondern auch innerhalb Hamburgs bis an die Haustür liefern. Wer das mal ausprobiert hat, wird nie wieder daran zweifeln, dass die Landwirtschaft in Hamburg lebt, wächst und gedeiht.